Lukas WESS (8a) belegte mit seinem Text im steirischen Philosophie-Essay-Wettbewerb bei 42 ausgewählten Texten aus 23 teilnehmenden Schulen den hervorragenden 3. Platz und konnte sich damit die Teilnahme am österreichischen Bewerb in Salzburg (25.3.-28.3.2012) sichern. In vier Stunden war ein philosophischer Essay zu einem von vier Themen zu schreiben.

Von unserer Schule nahmen Lukas WESS (8a), Manueal MENAPACE (8a) und Hanna TRZESNIOWSKI (8b) teil. Alle Teilnehmer verfassten sehr überzeugende Essays, kreativ und scharf durchdacht. Die internationale Philosophie-Olympiade, für die sich maximal zwei österreichische SchülerInnen qualifizieren können, findet heuer in Oslo statt. Wir gratulieren recht herzlich und wünschen viel Glück für Salzburg!

Mag. Ferstl Ulrike

siehe auch: www.philolympics.at

Der Text:

BG REIN

Schüler: Lukas Wess 8A

Betreuende Lehrerin: Mag. Ulrike Ferstl

Thema: „Dem Wissenden wird rückwirkend klar, was er am Nichtwissen hatte."

Es zählt heutzutage zu den wichtigsten Ressourcen, es ist eine mächtige Waffe, von allen begehrt, in den richtigen Händen ein Segen, in den falschen ein Fluch: die Rede ist vom Wissen. Doch ist dieses, in den Augen Vieler so begehrenswerte, Gut auch wirklich die Gabe, die es zu sein scheint?

Natürlich, es steht außer Frage, dass Wissen in der heutigen Zeit etwas Essentielles darstellt. Wer sich in unserer modernen Gesellschaft behaupten will, kommt nicht darum herum, sich Wissen anzueignen. Das betrifft nicht nur aufstrebende Personen, die sich Spitzenpositionen erarbeiten wollen, sondern beginnt schon beim normalen Bürger. „Wissensnachweise“ wie ein Maturazeugnis sind Grundvoraussetzung für Studium und auch ein wichtiger Faktor bei der Suche nach einem Beruf, ungeachtet dessen, dass auch dies nur ein Stück Papier ist und nichts weiter besagt, als dass die betreffende Person zum damaligen Zeitpunkt über entsprechendes Wissen verfügte, auf einem Niveau, das eindeutig höher liegen dürfte, als das momentane, wurde doch ein Großteil der damaligen Kenntnisse wieder durch andere Informationen verdrängt, die im späteren Alltag eine weitaus größere Rolle spielen als etwa Differentialgleichungen oder die Relativitätstheorie. Damit soll nun natürlich nicht die Wichtigkeit der Reifeprüfung infrage gestellt werden,

Auch außerhalb dieser Berufsthematik ist das Erlangen von Wissen scheinbar eine Notwendigkeit, es ist eine Art Portal, eine Tür, die uns hinter die Kulissen unserer Welt führt, uns hinter ihre Fassade blicken lässt. Denn sie ist es, die uns die ganze Zeit über umgibt, in ihr führen wir unser Leben, unterwerfen uns ständig ihren Regeln, nicht imstande, uns diesen zu widersetzen. Die Welt ist ein kompliziertes Konstrukt, das dem Unwissenden in seiner schier unendlichen Komplexität verborgen bleibt. Besser gesagt, dem nicht nach Wissen Strebenden, waren doch auch die Pioniere der Wissenschaft anfangs nicht mehr als Personen der Unwissenheit, die es sich aber zum Ziel gemacht haben, die Welt in ihrer Komplexität zu verstehen und sich so selbstständig zum Wissenden evolviert und uns die Früchte ihrer Arbeit, das Wissen, vermacht haben. Diese Früchte sind nun unsere Werkzeuge geworden, mit denen wir versuchen, unser Universum in seine Bestandteile zu zerlegen, um jedes einzelne davon zu verstehen und zu sehen, wie sie sich in ihrer Wirkung gegenseitig ergänzen um so ein großes Ganzes zu bilden, wie auch einzelne Pinselstriche zusammenwirken um eine größere Gesamtheit, nämlich ein Germälde, darzustellen. Einmal verstanden, müssen wir uns den Regeln der Natur zwar weiterhin beugen, wie ein Sklave seinem Herren, können uns das Wissen darüber aber zu Nutze machen, indem wir versuchen, selbst Vorteile daraus zu ziehen. Wie etwa beim Auftrieb, beugen wir uns diesem physikalischen Gesetz nicht gerne, wo es uns doch erlaubt, uns mit Schiffen auf dem Wasser fortzubewegen? Weiters entdecken wir nicht nur, wie die Welt um uns funktioniert, sondern auch, wie wir selbst funktionieren. Erkenntnisse über den menschlichen Körper sind in der heutigen Zeit von größter Bedeutung, sie fungieren als Fundament für die moderne Medizin. Zweifellos ist sie es, die uns erlaubt hat, unseren Lebensstandard und unsere Lebenserwartung mit der Zeit um ein Vielfaches zu steigern und uns so ein angenehmeres Leben zu ermöglichen.

Allem Anschein nach bietet ein großer Wissensstand ebenso große Vorteile, um uns das Leben zu erleichtern…doch auch diese Medaille hat ihre zwei Seiten. Wissen kann das Leben auch auf eine negative Weise beeinflussen, es einem ungemütlich machen. Dies wird vielen jedoch erst im Nachhinein bewusst, zu dem Zeitpunkt, an dem es bereits zu spät ist und sie es am eigenen Leib erfahren. Diejenigen, die sich dessen noch nicht bewusst sind, man möchte sie fast schon Glückliche nennen, fragen sich nun vielleicht, woher diese doch sehr merkwürdig klingende Behauptung resultiert. Die Antwort ist simpel, der aufmerksame Leser wird bemerken, dass die Antwort bereits gegeben wurde: das Wissen lässt uns hinter die Fassade unserer Welt blicken. Wir sehen die Welt, mit all ihrer Unbarmherzigkeit, Ungerechtigkeit, Grausamkeit. Missstände, die dem Unwissenden verborgen bleiben, eröffnen sich dem Wissenden in all ihrer Pracht. Der von Unwissen gesegnete Mensch lebt sein Leben, er kennt sein Umfeld und dessen Zustände, doch schweift sein Blick nicht darüber hinaus. In dem Maße, in dem ihm sein kleines Universum wohlbekannt ist, bleiben ihm die anderen Universen verborgen, besitzt er doch kein Teleskop, genannt Wissen, um diese zu erkennen und zu verstehen. Für den vom Wissen verfluchten Menschen stellen diese Universen dagegen nichts Unbekanntes dar, im Gegenteil, für ihn bilden sie ein großes, ineinandergreifendes Gefüge. Und das ist sein Fluch. Die Probleme der Welt wie globale Erwärmung sind für ihn keine leeren Begriffe, zwar bekannt aber doch nichtssagend, sondern er kennt die bittere Wahrheit, die sich hinter diesen Namen verbirgt. Er zerbricht sich den Kopf über die herrschenden Zustände seiner Welt, zermürbt sich selbst mit negativen Gedanken die Zukunft betreffend. Eifersüchtig blickt er auf den Unwissenden, der, obwohl er sich in der gleichen Welt mit denselben Problemen befindet, sein Leben von einem Tag auf den anderen lebt, glücklich, von derlei Sorgen, wie sie den Wissenden plagen, völlig unberührt. So sehr der Wissende sich nun auch nach diesem Zustand zurücksehnen mag, er wird für ihn auf ewig unerreichbar bleiben. Das Wissen, dass er einst erlangt, bleibt in seinem Kopf fest verankert, ihm keine Chance lassend, es wieder abzuschütteln. Was einst gelernt, kann nicht wieder vergessen werden, vor allem, wenn das Vergessen einen Wunsch darstellt, sind es doch die Wünsche, denen man die meisten Gedanken widmet. Dieser Wunsch des Vergessens erinnert ihn permanent daran, was er vergessen möchte, wodurch dieses sich nur noch fester in die Gedanken eingräbt.

Und der Unwissende? Er weiß nichts von seinem Glück. Wüsste er davon, so wüsste er auch, dass es in seinem Universum schwerwiegende Probleme gibt, die er nicht begreift. So wird auch er zu einer Art „Wissendem“, allerdings zu einem, der sich in einer noch misslicheren Lage befindet, denn größer als die Angst vor dem Bekannten ist nur noch die Angst vor dem Unbekannten. Das Glück der Unwissenheit ist also ein Zustand, der vergeht, sobald man sich seiner bewusst wird. Eine bösartige Ironie.

   
© BG-Rein, Pei